Nebengütekriterien bei einer Prüfung
Nebengütekriterien sind zusätzliche Kriterien, die den Hauptgütekriterien untergeordnet sind und bei der Prüfung berücksichtigt werden können. Folgende Kriterien gehören zu den Nebengütekriterien:
- Ökonomie: Die Ökonomie bezieht sich auf den Konstruktionsaufwand und die Durchführungszeit einer Prüfung. Sie sollte erst dann mit einbezogen werden, wenn die Hauptgütekriterien „Validität“ und „Reliabilität“ sichergestellt sind.
- Akzeptanz: Eine hohe Akzeptanz erreicht eine Prüfung dann, wenn die Inhalte einer Prüfung auch von Studierenden, die nicht gut abgeschnitten haben oder durchgefallen sind, als akzeptabel empfunden werden.
- Fairness: Bei einer Prüfung soll kein Studierender / keine Studierende oder eine Studierendengruppe systematisch bevorzugt oder benachteiligt werden (Lernzielrelevante Faktoren ausgenommen). „Fairness“ als Nebengütekriterium ist hier nicht zu verwechseln mit „Fairness“ in Abgrenzung zu „Chancengleichheit“ im Abschnitt „Haltung“.
- Transparenz: Über alle wichtigen Merkmale einer Prüfung, wie Prüfungsform und - ablauf, zu prüfende Inhalte und Kompetenzen sowie Bewertungsrichtlinien, können sich die Studierenden vorab ausreichend informieren. Zudem erhalten sie nach der Prüfung ein angemessenes Feedback zu ihren individuellen Leistungen.
- Unverfälschbarkeit: Die Studierenden haben keine Möglichkeit, die Prüfungsergebnisse zu manipulieren. Das Schummeln bei einer Prüfung würde beispielsweise die Unverfälschbarkeit einer Prüfung beschädigen.
Quellen:
Metzger, Christoph; Nüesch, Charlotte (2004): Fair prüfen. Ein Qualitätsleitfaden für Prüfende an Hochschulen. Hochschuldidaktische Schriften Band 6. Universität St. Gallen, Institut für Wirtschaftspädagogik
HRK (2015): Kompetenzorientiert Prüfen. Zum Lernergebnis passende Prüfungsaufgaben. In: Hochschulrektorenkonferenz (Hrsg.): Nexus Impulse für die Praxis. Ausgabe 4.
Objektivität
Das Gütekriterium Objektivität erlaubt Aussagen darüber, ob die Ergebnisse einer Prüfung unabhängig von der Person sind, die die Prüfung durchführt, auswertet oder beurteilt. Ziel ist es, durch Standardisierung verschiedener Aspekte des Prüfungsprozesses die Ursachen für Messfehler reduzieren zu können. Es werden drei Arten der Objektivität unterschieden:
- Durchführungsobjektivität: Sie soll sicherstellen, dass alle Studierenden die gleichen Informationen über den Prüfungsablauf, wie etwa Bearbeitungszeit, erlaubte Hilfsmittel und Hinweise zur Bearbeitung und Beantwortung der Fragen, erhalten. Die Aufgabenstellungen sollen so gestaltet sein, dass sie für alle Studierenden verständlich und einheitlich sind.
- Auswertungsobjektivität: Auswertungsobjektivität ist gegeben, wenn alle Zweitprüfer:innen bei der Bewertung von Prüfungsaufgaben zum gleichen Ergebnis kommen. Bei offenen Fragen empfiehlt sich die Verwendung eines Bewertungsrasters.
- Interpretationsobjektivität: Interpretationsobjektivität liegt vor, wenn die Ergebnisse der Prüfungen von unterschiedlichen Korrektor:innen gleich interpretiert werden. Unterstützend sollten die Vergabe der Punkte im Bewertungsraster und die damit jeweils erreichbaren Noten in einem Notenschlüssel festgelegt werden.
Quelle:
Schindler, Christoph Josef (2015): Herausforderung Prüfen: Eine fallbasierte Untersuchung der Prüfungspraxis von Hochschullehrenden im Rahmen eines Qualitätsentwicklungsprogramm. München
Online-Prüfung
„Die Online-Prüfung […] ist als mittels digitaler Kommunikationssysteme (z. B. Videokonferenzanlage) durchgeführte (Fern-)Prüfung, bei der Prüfling und Prüfer nicht zugleich in einem vorgegebenen Prüfungsraum anwesend sind, zu verstehen. Sie stellt als solche keine eigene Prüfungsart, sondern zunächst schlicht eine besondere Durchführungsmodalität der überkommenen Prüfungsarten dar.“ (Fischer et al. 2022) Auch wenn die Möglichkeit zur Prüfungsteilnahme von außerhalb der Hochschule zentral für die Definition einer Online-Prüfung ist, kann u. a. aufgrund des Gebots der Chancengleichheit, auch „die Bereitstellung von räumlichen Ersatzkapazitäten in der Hochschule erforderlich sein“ (vgl. Morgenroth 2021). Online-Prüfungen werden als Synonym für Fernprüfungen verwendet, da sie in der Regel aus der Ferne abgelegt werden.
Quellen:
Fischer, Edgar; Jeremias, Christoph; Dieterich, Peter (2022): Prüfungsrecht. 8., vollständig neubearbeitete Auflage. München: C.H. Beck (NJW Praxis, Band 27/2).
Morgenroth, Carsten (2021): Zwischenbilanz zum Corona-Hochschulrecht aus Sicht der Hochschulpraxis, Teil II – Methodische und rechtliche Grundfragen zu Online-Prüfungen. Ordnung der Wissenschaft, 2.
Open-Book-Prüfung / Open-Web-Prüfung
Bei Open-Book-Prüfungen dürfen die Studierenden während der Prüfung bestimmte Ressourcen nutzen, die ihnen entweder zur Verfügung gestellt werden oder die sie selbst zur Prüfung mitbringen können. Open-Book-Prüfungen können auch digital durchgeführt werden, wodurch ein größeres Spektrum an Ressourcen erlaubt werden kann. Somit können während der Prüfung nicht nur lokale Dateien, sondern auch Inhalte aus dem Internet erlaubt werden, in diesem Fall spricht man auch von einer Open-Web-Prüfung. (vgl. Bandtel et al. 2021)
Ressourcen können beispielsweise sein:
- Vorlesungsskripte
- Eigene Mitschriften
- Formelsammlungen
- (Lehr-)Bücher
- Forschungsliteratur
- Kommentare
- Gesetzestexte mit eigenen Markierungen und / oder Anmerkungen
- Online-Datenbanken
- Webseiten
- usw.
Bei der Durchführung einer Open-Book- oder Open-Web-Prüfung unter Klausurbedingungen muss sichergestellt werden, dass die Studierenden ausschließlich auf die erlaubten Dateien und Inhalte zugreifen können und keine Kommunikation / Kooperation mit anderen Studierenden, beispielsweise via Chat, Mails usw. stattfindet. (vgl. Bandtel et al. 2021)
Quelle:
Bandtel, Matthias; Baume, Matthias; Brinkmann, Elena; Bedenlier, Svenja; Budde, Jannica,Eugster, Benjamin; Ghoneim, Andrea; Halbherr, Tobias; Persike, Malte; Rampelt, Florian; Reinmann, Gabi; Sari, Zaim; Schulz, Alexsander (Hrsg.) (2021): Digitale Prüfungen in der Hochschule. Whitepaper einer Community Working Group aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, Berlin: Hochschulforum Digitalisierung.
Portfolio-Prüfung
Einige ii.oo-Hochschulen haben Portfolio-Prüfungen in ihrer APO verankert. Bei einer Portfolio-Prüfung werden Teilleistungen erbracht, die am Ende eine Gesamtleistung ergeben. Das heißt Portfolio-Prüfungen können aus verschiedenen Teilprüfungen, wie z. B. eine schriftliche Ausarbeitung in Form einer Studienarbeit + eine mündliche Präsentation + Durchführung einer praktischen Prüfung, bestehen.
Praktische Prüfung
Bei praktischen Prüfungen (dazu zählen hier auch künstlerische Prüfungen) werden praktische Fertigkeiten geprüft und die Bewertung kann dabei anhand einer mündlichen Erläuterung der praktischen Arbeit und/ oder anhand einer schriftlichen Ausarbeitung in Form eines Arbeits- und Ergebnisberichts erfolgen. Beispiele für eine praktische Prüfung sind: Experimente, Laborversuche, Befragungen usw.
Mit den ii.oo-Merkmalen für Prüfungsformen wird eine praktische Prüfung wie folgt charakterisiert:
- Aufsicht: Mit oder ohne Aufsicht
- Prüfungsort: Präsenz- oder Fernprüfung
- Werkzeuge zur Bearbeitung: Papier, Stift, Textverarbeitungsprogramme, fachspezifische Software, Präsentationssoftware usw.
- Bearbeitungszeit: In einem festgelegten Zeitfenster oder Bearbeitung der Aufgabenstellung mit individueller Zeiteinteilung im Rahmen eines längeren Zeitraums
- Antwort-Wahl-Verfahren: Nicht zutreffend
- Hilfsmittel: Verwendung möglich
- Einzel-/ Gruppenprüfung: Beides möglich
- Vorbereitung: Prüfungsaufgaben sind vor der Prüfung bekannt oder unbekannt
- Prüfungssysteme: Alle Systeme
Präsentation
Die Präsentation erfolgt mündlich unter Aufsicht und in einem festgelegten Zeitfenster. Die Studierenden können sich selbstständig auf das Thema oder die Aufgaben vorbereiten und während der Prüfung präsentieren sie ihre Ergebnisse. Beispiele für eine Präsentation sind: Referat, Kolloquium, (Fach-)Vortrag.
Mit den ii.oo-Merkmalen für Prüfungsformen wird eine Präsentation wie folgt charakterisiert:
- Aufsicht: Immer unter Aufsicht
- Prüfungsort: Präsenz- oder Fernprüfung möglich
- Werkzeuge zur Bearbeitung: Papier, Stift, Textverarbeitungsprogramme, fachspezifische Software, Präsentationssoftware usw.
- Bearbeitungszeit: Genau festgelegtes Zeitfenster während der Prüfung + individuelle Zeiteinteilung für die Erstellung der Präsentation
- Antwort-Wahl-Verfahren: Nicht zutreffend
- Hilfsmittel: Verwendung möglich
- Einzel-/ Gruppenprüfung: Beides möglich
- Vorbereitung: Prüfungsaufgaben sind vor der Prüfung bekannt
- Prüfungssysteme: Moodle und/oder E-Portfoliosysteme
Präsenzprüfung
Eine Präsenzprüfung wird an einem festgelegten Ort an der jeweiligen Hochschule durchgeführt.
Proctoring
Der englische Begriff des Proctorings bezeichnet die Beaufsichtigung einer Prüfung mit dem Ziel der Täuschungskontrolle. Proctoring bzw. Beaufsichtigung wird in vielen Prüfungsvarianten eingesetzt und in der Regel von realen Personen durchgeführt. Im Speziellen beschreibt das Online-Proctoring oder Remote-Proctoring die Durchführung der Prüfungsaufsicht bei digitalen Fernprüfungen. Der Begriff bezeichnet entsprechend digitale Formate der Prüfungsaufsicht, die eine ortsunabhängige (z. B. von zu Hause aus) Realisierung von sicheren und zuverlässigen Prüfungen ermöglichen sollen. Zu diesem Zweck werden im Online-Proctoring z. B. Webcams verwendet, um eine ordnungsgemäße Beaufsichtigung der Studierenden zu gewährleisten. (vgl. Sietses 2016)
Dies kann analog zur Prüfung in Präsenz auch online von Menschen abgedeckt werden, aber auch mithilfe spezieller Software zur Täuschungsentdeckung (vgl. Bandtel et al. 2021).
Darüber hinaus kann zwischen externem und internem Proctoring unterschieden werden. Bei internem Proctoring wird die Online-Aufsicht durch Hochschulangehörige durchgeführt, während bei externem Proctoring in der Regel ein Dienstleister mit der Aufsicht beauftragt wird.
Quelle:
Bandtel, Matthias; Baume, Matthias; Brinkmann, Elena; Bedenlier, Svenja; Budde, Jannica, Eugster, Benjamin; Ghoneim, Andrea; Halbherr, Tobias; Persike, Malte; Rampelt, Florian; Reinmann, Gabi; Sari, Zaim; Schulz, Alexsander (Hrsg.) (2021): Digitale Prüfungen in der Hochschule. Whitepaper einer Community Working Group aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, Berlin: Hochschulforum Digitalisierung.
Sietses, Lex (2016): White Paper Online Proctoring. Questions and answers about remote proctoring. Utrecht: SURF.
Prüfung mit Drittapplikationen
Bei Drittapplikationen handelt es sich nicht um Prüfungssysteme, sondern um Software-Applikationen. Die Studierenden bearbeiten bei digitalen Prüfungen die Aufgabenstellungen in der Regel mit Drittapplikationen wie beispielsweise Statistiksoftware, Programmierumgebungen, Tabellenkalkulation oder Geoinformationssystemen. Aber auch PDF-Reader oder Web-Browser, welche den Zugriff auf Informationsressourcen, wie z. B. Fallstudien oder Online-Forschungsdatenbanken ermöglichen, zählen dazu. Prüfungen mit Drittapplikationen sollten technisch abgesichert werden, sodass die Studierenden nur Zugriff auf die erlaubten Drittapplikationen haben und kein Austausch zwischen den Studierenden stattfinden kann. (vgl. Bandtel et al. 2021) Beispielsweise wäre eine solche Absicherung durch EXaHM möglich.
Quelle:
Bandtel, Matthias; Baume, Matthias; Brinkmann, Elena; Bedenlier, Svenja; Budde, Jannica, Eugster, Benjamin; Ghoneim, Andrea; Halbherr, Tobias; Persike, Malte; Rampelt, Florian; Reinmann, Gabi; Sari, Zaim; Schulz, Alexsander (Hrsg.) (2021): Digitale Prüfungen in der Hochschule. Whitepaper einer Community Working Group aus Deutschland, Österreich und
der Schweiz. Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, Berlin: Hochschulforum Digitalisierung.